Was will Putin eigentlich? Wie kann man über Forderungen nachdenken, wenn gar nicht bekannt ist, was der andere eigentlich will. Wann sieht er seine Ziele als erreicht an? Die Reinigung eines Nachbarlandes von Nazis oder faschistischen Umtrieben ist sehr wahrscheinlich die Ausgeburt eines krankhaften „Russland über alles“-Gedankens oder es sollen die wirklichen Interessen verschleiert werden, frei nach dem KGB-Lehrbuch. Der Schutz von Menschen und ihren Rechten ist garantiert nicht das Ziel des Kreml-Herrschers. Dafür mag als Beispiel dienen, wie er – wie Russland in seiner Geschichte überhaupt – mit der eigenen Bevölkerung umgegangen ist und noch umgeht.
Es ist wirklich irre. Die einen melden, die anderen dementieren und dann das Ganze umgekehrt. Ich lese diese Melden in der Presse schon gar nicht mehr. Ob dieser blödsinnige Krieg vor dem Wintereinbruch zu einem Ende kommt, das beide Seiten akzeptieren können, ist mehr als fraglich. Russlands Prestige in der Welt steht auf dem Spiel und, ganz nebenbei, die Freiheit der Ukraine. Es ist m.E. nur logisch, dass die Sympathien der Welt nicht auf der Seite dessen liegen, der „Militärische Spezialoperationen“ in einem Nachbarland durchführt, Menschen umbringt, Städte verwüstet und dazu noch ein weiteres Nachbarland benutzt. Bei allem Verständnis für die uralten, und aus deutscher Sicht unbegründeten, Ängste Russlands kann man nur klar gegen den neuen russischen Zar im Kreml und seine aggressive und heuchlerische Politik Stellung beziehen. Jeder halbwegs menschliche Zeitgenosse würde den vermeintlich Schwächeren unterstützen.
Eines hat Russland längst verloren, nämlich das Vertrauen in die Vertragstreue russischer Partner oder Unternehmen. Vielleicht müssen sie sich unberechenbar verhalten, weil der Zar im Kreml es so will. Aber es wird Jahrzehnte dauern wieder ein Mindestmaß an Vertrauen aufzubauen. Zu viel Sympathie für Russland ist mit Füssen getreten worden. Und auch der letzte Rest verschwindet mit den Bildern, auf denen das nicht gelieferte Gas einfach abfackelt wird. Das macht man nicht, das ist eine Sauerei, die nicht vergessen wird, wenn hier die Öfen ausgehen sollten.
Der allerletzte Test für Russland wäre NordStream 2. Die Leitung ist einsatzbereit und könnte mit voller Leistung Gas durch die Röhren schicken. Lassen wir mal alle scheinmoralischen Bedenken einiger gute bezahlter „Bedenkenträger“ beiseite, und klar ist auch, dass Deutschland sich nie wieder einseitig in Abhängigkeiten bringen wird, aber es wäre dumm Nordstream 2 nicht als Test für den Zar im Kreml zu nutzen. Hopp oder top! Kommt das Gas, dann wäre das ein Lichtblick und Russland verspielt nicht komplett das Vertrauen. Kommt es nicht, dann wird Deutschland auf Jahre hinaus keine Geschäfte mehr mit Russland machen und an Hilfen und zahlreiche Spenden für eine hungernde Bevölkerung in St. Petersburg, wie anno 1990, ist dann auch nicht zu denken. Sicherlich würde China einspringen, aber Chinas Hilfe hat bekanntlich immer einen hohen Preis.
Wir aber werden uns in der Zwischenzeit warm anziehen. Der nächste Sommer kommt bestimmt.