Nach wie vor eine gute Idee

Warten, einsteigen, ans Ziel kommen. Die Idee der Mitfahrbänke ist simpel. Dennoch werden sie in der Samtgemeinde Tarmstedt so oft genutzt wie ein Steakmesser im Veganer-Haushalt. Nach einem Test hat unser Reporter eine Ahnung, woran das liegt.

In der Samtgemeinde Tarmstedt gibt es längst mehr als ein Dutzend Mitfahrbänke. In Bülstedt, Hepstedt, Dipshorn und vielerorts dazwischen stehen sie wie Mahnmale, die daran erinnern, dass in Deutschland vieles im Argen ist, was mit Mobilität zu tun hat.

Wer sich setzt, etwa auf die Bank an der Wilstedter Straße in Tarmstedt, der hat viel Zeit über diese Defizite nachzudenken. Über fehlende Buslinien. Über vorbeifahrende SUVs, die aussehen, als könne man mit ihnen die Krim befreien. Über hohe Spritpreise und die Klagen darüber, die umso absurder erscheinen, je beherzter die Fahrer nach dem Abbiegen aufs Gaspedal treten. Oder darüber, dass auch noch 20 Minuten kein Fahrrad zu sehen ist. Kein einziges. Nicht mal ein E-Bike.

Die Bank ist bequem. Nicht unwichtig, denn es werden fast 30 Minuten Wartezeit. In der Zeit rauscht ein Auto nach dem anderen vorbei. Die meisten Menschen am Steuer starren geradeaus, ohne Bank oder ihren Nutzer zu beachten. Aber in einigen Gesichtern scheint sich Irritation abzuzeichnen. Die Bank steht da immer, aber jemanden darauf sitzen zu sehen, ist offenbar ungewohnt.

Die Bänke sind ein Angebot. Wer es annehmen möchte, braucht nur eine Mitfahrbank und ein Ziel, das er mit dort angebrachten Schildern kommuniziert. Es muss auch jemand bereit sein, ihn mitzunehmen. Jemand wie Barbara Franke. Die naht nun mit ihrem kleinen, weißen Elektroauto.

Sie kennt den potenziellen Passagier und kommt gleich auf den Punkt: „Wollen Sie mit oder sitzen Sie nur so hier?“ Dann wirft sie Kram vom Beifahrersitz auf die umgeklappte Rückbank und erzählt erst einmal ungefragt, welche Texte ihres Mitfahrers sie gerne liest.

Dass Barbara Franke Mitfahrer einlädt, ist für sie Ehrensache. Ihr Mann Jochen hat selbst mehrere Bänke gebaut. Da kann sie ja schlecht an Wartenden vorbeifahren. Warum andere nicht anhalten? „Sie dürfen da nicht nur sitzen, sondern müssen die Fahrer anlächeln“, rät sie.

Die nächste Autofahrerin, die den Reporter mitnimmt, ist eine Dame aus Worpswede mit einem blauen Mini-Van. Sie fahre oft nach Tarmstedt und frage sich, wer die roten Sitzgelegenheiten wohl nutze. Dass es im Künstlerdorf Worpswede noch keine Mitfahrbänke gibt, findet sie schade. „Eigentlich ist das eine tolle Idee.“ Eigentlich schon.

(Bert Albers, Zevener Zeitung, 4.8.2022, gekürzt)

 

 

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